Rebellen auf Oceania IV

Die letzen Tage in der Basis waren von nichts als harter Arbeit geprägt gewesen. Wie immer in meiner Freizeit baute ich an der Barracuda herum, einem mehr als siebzig jahre alten Raumfrachter der Yukon-Klasse. Vor einigen Jahren, als ich meinen berüchtigten Verwandten Uncle Max verloren hatte, war ich nur sehr schwer am Leben zu erhalten gewesen. Mich hatte so etwas wie eine Todessehnsucht gepackt. Nicht das ich schon voher dieses dringende Gefühl von sch…egal in mir spürte, wenn es um mein Leben ging, aber zu der Zeit war es besonders schlimm.

Nun, um der leidigen Story auch noch ein Ende zu spendieren, ich baute mit der Barracuda eine filmreife Bruchlandung, nachdem Jeremy und mir bei einem hitzigen Raumgefecht die gesamte Avionik weggeschossen worden war. Es war normalerweise kein Problem eine kontrollierte Landung ohne Avionik zu meistern, als erschwerend stellte sich allerdings heraus, daß wir uns in einem rasanten evasiven Flugmanöver befanden, unter Raumpiloten oft auch „Double-Gee“ oder „Sabre-Dance“ genannt, bei dem uns zwei dieser Piraten ständig an den Schubplatten hingen und ohne Ende Raketen in unsere Richtung pumpten, während Jerry im Geschützturm saß (die Brückensteuerung war auch schon zerschossen) und ich versuchte die Mühle zu fliegen, während E-Bot, unser Reparaturroboter, den Antrieb zusammen zu halten versuchte. Wir erwischten die Piraten und gemeisam schmierten wir alle ab. Ich sehe noch heute die Kareena-See auf mich zu rasen. Leider hatte diese Bruchlandung niemand gefilmt und so richtig gut ging es mir danach auch nicht gerade.

Im Laufe des Jahres heuerte ich auf so ziemlich jedem Seelenverkäufer an, der die Randwelten anflog und nicht selten waren es dabei Schmuggler von zweifelhaftem Ruf, die mir einen Job boten, der auch ein wenig Gewinn abwarf. Es dauerte einige Zeit, bis ich die paar Million Credit zusammengekratzt hatte, um mich wieder bei einem Schiff beteiligen zu können. Die Thunderbolt ist ein aufgemotztes sechzig Jahre altes, aber zuverlässiges Monster. Der Trampfrachter ist so ausgerüstet, das er von zwei Personen gut geflogen werden kann. Nichts gegen die Barracuda, als diese noch fit war, aber dennoch ein würdevoller Ersatz.

Normalerweise waren die Raumfrachter der Starbuck-Klasse mit einem einzelnen Torika Industries MFP-800 Fusionsreaktor ausgerüstet, der mit einer Leistung von knapp 800 MegaWatt ausreichte um einen einzelnen Silverdome Technologies AX-750n RIFT-Antrieb nebst der Standardbewaffnung von zwei jeweils 40 Megawatt starken schweren Macaon Arms Laserkanonen zu befeuern. Unser Umbau auf zwei 900MW Fusionsreaktoren, vier RIFT-Antriebssystemen mit zusammen 1750MW Leistung, einem ausgeklügelten Leistungsmanagement und eine leistungsstarke 344 Megawatt Bordbewaffnung, brachte letzlich die entscheidenden Vorteile, die man im All als Freihändler benötigte.

Wir waren auf Oceania registriert, eben jener Welt, auf der wir uns gerade befanden. Es war einfach nur genial hier. Einen Wermutstropfen jedoch gab es auch hier. Die Sonne war, wie sooft in der Galaxis, leider nicht von G-Typ oder K-Typ, wo die Lichtverhältnisse blendend gewesen wären, sondern vom M-Typ. Rot war eigentlich eine der umfassendsten Beschreibungen, die man über Oceania II fällen konnte. Die Sonne CSC-07383 war eine dunkle Sonne der Hauptreihe, ihre Wärmestrahlung reichte aus um den zweiten Planeten Oceania mit ihrer Wärme auf ein tropisches Klima in der Äquatorgegend zu bringen. Oceania ist zu mehr als 90% mit Wasser bedeckt. Der einzige Hauptkontinent ist ein Nadelförmiges Riff entlang des Äquators, dessen Form und Bewuchs ursprünglich aus einer Reihe von Korallenbänken mit ihren Atollen entstanden ist, die später erst zusammenwuchsen.

Unsere Basis, eine aufgegebene Abbauplattform für fossile Brennstoffe, die in den ersten Jahrzehnten nach der Kolonialisierung benötigt wurden, liegt jedoch weit von diesem Kontinent entfernt, um nicht von irgendjemandem besucht zu werden. Und das hatte den Nachteil, das es hier bereits empfindlich kalt ist, wenn die drei Sommermonate vergangen sind und damit schon fast das ganzjährige Schmuddelwetter, welches für diese Gegend berühmt ist, Einzug hält. Einen richtigen Winter gab es allerdings auch nicht, da die Temperaturen nie unter den Gefrierpunkt fielen.

Wir waren schon relativ weit ab vom gesellschaftlichen Leben des Planeten. Die nächste Siedlung war die multimillion Einwohner zählende Metropole Port Harrison, eine von vielen in der USC installierten Gruppen von ColonyRigs. Port Harrison bot alles, angefange bei warmen Bier und kalten Mädchen bis hin zu heißer Technik und cooler Software. Keiner der Einflugkorridore von und nach Port-H passierte unsere Basis in einer Entfernung von weniger als 200 Seemeilen. Der offizielle Name der Plattform war übrigens „Logan Field Hydrogene Rig“, von uns jedoch nur Port Hope bezeichnet.

Ich nahm mir vor am Abend einen der Aeros zu schnappen und auf einen Drink in die Stadt zu düsen und machte mich wieder an die komplizierten Reparaturen des Raumschiffes. Und erst viele Stunden später kehrten meine Gedanken an diesen Punkt zurück.

Der Himmel über der Basis ist genau das, was man einem Raumfahrer nur dann zumuten darf, wenn er in den verdienten Kurzurlaub geht (ein oder zwei Tage), aber er wäre eine Folter für gestrandete Raumpiloten, denn man konnte den ganzen Tag die Sterne hinter den dunstigen Wolken erkennen. Man sah das All überdeutlich und nur in Richtung des Horizontes sah man die rötliche Korona der Atmosphäre des Planeten. CSC-07383 war ein deutlich sichtbarer heller Punkt am Himmel dessen Leuchtkraft gerade mal ausreichte, den ganzen Tag für Mitsommernachtstimmung zu sorgen, zumindest was die Lichtverhältnisse betraf. Man konnte nicht gerade sagen, das es die ganze Zeit über Nacht war, nein, dazu war es zu hell, aber für einen richtig schönen Tag reichte es dennoch nicht.

Ich mochte den Ort. Es trug mich immer wieder hierher zurück. Mein Vater hat hier sein Leben verbracht, nachdem er sich von meiner Mutter getrennt hatte. Uncle Max, nach dem ich benannt worden bin hat hier sein Unwesen getrieben – er war ein Pirat der übleren Sorte – und ich hatte hier Freunde gewonnen. Vince und Cole, mit denen ich diese ehemalige Piratenbasis ausgehoben hatte, Mel Hamilton und ihren Vater, den Professor, beide waren Meeresbiologen. Dann war da Levi Thomas, ein StarGuard Captain, der die Piraten von uns in gewahrsam nahm und sich später als loyal erwies, in dem er die Eigentumsfrage der Basis klärte. Das war vor vier Jahren.

Mittlerweile waren wir eine größere Clique, die die Basis regelmäßig frequentierte. Jerry verwaltet alles in unserm gemeisamen Interesse. Die alten Förderanlagen haben wir mittlerweile durch solargetriebene Wasserstoff-Prozessoren ersetzt, aber sonst ist alles beim Alten.

Ich kraulte zwischen den Energieleitungen der Antriebsanlage hindurch und tauchte oben in der äußeren Triebwerksverkleidung wieder auf. Mit von Kühlmitteln und Schmierstoffen verschmutzter Haut stand ich auf dem Rumpf der Barracuda und sah die schlanken Linien entlang.

Das Schiff war mit 52m ziemlich groß für einen Trampfrachter, der nur von einem einzigen Piloten komplett geflogen werden konnte. Allerdings war ein Techniker im Maschinenraum recht hilfreich, zumindest, wenn man nicht das Geld hat eine vollständige Computercrew zu installieren.

Kopfschüttellnd und leicht seufzend kletterte ich die Leiter hinab, die zwischen den Beiden Triebwerkplatten lehnte und schlurfte auf den rissigen Betonbau zu der einst die Verwaltungsbereiche der Plattform barg. Mir war nach so vielen Erinnerungen und der harten schweißtreibenden Arbeit am Schiff nur noch nach drei Dingen zumute: Einer heißen Dusche, einem temperierten Scotch und einem kühlen Bett.

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